36th EPF ANNUAL CONFERENCE 2023

March 24th, 25th, 26th 2023

Illusions Illusionen Illusions

Venue:

 Palais des Festivals et des Congrès de Cannes

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************ Early bird deadline is extended to 1st March. ***********

 

ARGUMENT DER EPF-JAHRESKONFERENZ 2023 IN CANNES

Während wir uns auf die 36.th EPF-Konferenz im Jahr 2023 vorbereiten, sind wir voller Hoffnung, dass die schreckliche russische Invasion in der Ukraine beendet sein wird, ebenso hoffen wir auf ein Ende der Pandemie und eine Abschwächung des Klimawandels. Diese Weltereignisse hatten einen enormen Einfluss auf die psychoanalytische Praxis auf einer globalen Ebene. Wir freuen uns auf eine Atmosphäre der Reflexion, um das analytische Denken über globale Traumata und Krisen im Zusammenhang mit dem Thema Illusionen zu erleichtern.

Die Etymologie des Wortes "Illusion" bezieht sich in den drei offiziellen Sprachen der EPF auf die Wahrnehmung und eine subjektive Verzerrung des wahrgenommenen Objekts. Der lateinische Begriff "ludere" bedeutet "spielen" und auch "täuschen". Die Illusion wird mit der Kunst in Verbindung gebracht, zum Beispiel in Gombrichs Studie über die bildlichen Darstellungen der illusionistischen Kunst (Gombrich 1959). Die Psychologie erklärt in allgemeiner Form, dass bestimmte Illusionen nicht einfach ein psychologischer Prozess sind, vielmehr sind spezifische Gehirnprozesse involviert, die den über die Sehnerven ankommenden Impulsen manchmal Sinn oder Unsinn verleihen. In der Philosophie ist es wohl vor allem Kant, der Illusionen als transzendental definiert und in Übereinstimmung mit Freud die Auffassung vertritt, dass Illusionen natürlich sind, wie bestimmte optische Täuschungen (Kant 1781). Sie verschwinden nicht, aber wir können erkennen, dass bestimmte Illusionen irreführend sind.

In der Psychoanalyse ist es Freuds Aufsatz "Die Zukunft einer Illusion" (1927), in dem der Begriff "Illusion" in der psychoanalytischen Literatur zum ersten Mal in der Phase seines Spätwerks (1920 - 1939) prominent wurde. Laut James Strachey in seinen "Editorial Notes" schrieb Freud in seinem Postskriptum zu seiner Selbstdarstellung, dass sich in seinen Schriften zwischen 1925 und 1935 "...eine bedeutende Veränderung" abgezeichnet habe.

 

Nach dem lebenslangen Umweg über die Naturwissenschaften, Medizin und Psychotherapie war mein Interesse zu jenen kulturellen Problemen zurückgekehrt, die dereinst den kaum zum Denken erwachten Jüngling gefesselt hatten.

 (Freud, S. (1936) Nachschrift 1935: Nachtrag zur Selbstdarstellung. Almanach der Psychoanalyse 11:9-14; englische Ausgabe S.E. 20: 72).

 

Strachey weist darauf hin, dass Freud diese Themen schon früher berührt hatte, zum Beispiel in "Totem und Tabu" (1912-13), aber erst mit der Abfassung von "Die Zukunft einer Illusion" begann Freud "...mit einer Reihe von Studien, die für den Rest seines Lebens sein Hauptanliegen sein sollten". Die wichtigste dieser Studien war "Das Unbehagen in der Kultur" (1930), welche der direkte Nachfolger von "Die Zukunft einer Illusion" ist.

Beide Papiere führten bezeichnenderweise zu der Arbeit "Warum Krieg?" aus dem Jahr 1933, als der Aufstieg Hitlers in Deutschland den Weltfrieden bedrohte.

Aus Freuds Religions- und Kulturkritik entwickelte sich die Frankfurter Schule mit ihrer klassischen Untersuchung der autoritären Persönlichkeit. Am 24. Februar 2022 wurde Freuds Abhandlung über den Krieg für Europa wieder aktuell, als die Welt dem gewaltsamen und mörderischen Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine hilflos zuzusehen schien. Diese unprovozierte Invasion stürzte die Welt in die Schrecken des Krieges und veranlasste Tausende von Menschen, aus ihrer Heimat zu fliehen.

Dies war keine Illusion, sondern eine schreckliche und quälende Realität, die sich für so viele von uns gleichzeitig unglaublich anfühlte. Die traumatischen Auswirkungen sowohl der Pandemie seit 2020 als auch der russischen Invasion 2022 haben uns alle getroffen und treffen uns weiterhin. Gleichzeitig steht die ganze Welt seit mehreren Jahrzehnten am Rande eines verheerenden Klimawandels, wie es ihn noch nie zuvor gegeben hat.

Die ethische Position der Psychoanalyse, obwohl stets präsent, trat nun wie schon im Zweiten Weltkrieg erneut in den Vordergrund. Wie kann die Psychoanalyse in einem totalitären Regime praktiziert werden, in dem es keine Gedankenfreiheit und keinen Raum gibt, in dem man aus einer Position der Sicherheit und Freiheit heraus denken und reflektieren kann?

Als Marion Milner ihre Analyse bei Sylvia Payne (der ersten weiblichen Präsidentin der Britischen Psychoanalytischen Gesellschaft) begann, fiel dies mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs zusammen. Zur gleichen Zeit begann Milner auch mit der Abfassung ihres Buches "On Not Being Able to Paint". Ihre Verwendung des Begriffs "Illusion" wurde von dem amerikanisch-spanischen Philosophen George Santayana inspiriert, der schrieb, dass Symbolismus nicht verstanden werden kann, wenn wir ihn nicht als eine Form der Imagination betrachten, die "auf glückliche Weise bedeutsam geworden ist... in der Imagination, nicht in der Wahrnehmung, liegt die Substanz der Erfahrung...". Milner kommt zu dem Schluss, dass "die Substanz der Erfahrung das ist, was wir zu dem, was wir sehen, beitragen, ohne unseren eigenen Beitrag sehen wir nichts" (‘the substance of experience is what we bring to what we see, without our own contribution we see nothing’. 1950, S. 27). Damit wird das Konzept der Übertragungs-Gegenübertragungs-Matrix tiefgreifend erweitert und reicht bis in den Bereich des symbolischen Denkens und seiner Aneignung hinein. Etwa zur gleichen Zeit entwickelte Winnicott seine Vorstellungen vom Übergangsobjekt und von Übergangsphänomenen, die stark mit Milners Formulierung der "Illusion" (Winnicott 1953, S. 90) übereinstimmen. Er bezog sich auf die "Substanz der Illusion", die aus der frühen Mutter-Säuglings-Verschmelzung hervorgeht. Während Milner sah, dass es ohne den inneren Beitrag des Selbst zur Wahrnehmung keinen Sinn im Leben gibt, konzentrierte sich Winnicott auf die Notwendigkeit der Erfahrung der "Illusion der Allmacht" - einer Mutter, die sich den Bedürfnissen des Säuglings anpasst, so dass sich der Säugling wie Gott fühlt. Für Winnicott war dies die grundlegende Erfahrung für ein entstehendes Selbst, das zu einem Selbst werden kann, solange der Prozess der Desillusionierung durch die Mutter erleichtert wurde. „Das Thema der Illusion [...] wird den Hinweis auf das Interesse des Kindes an Seifenblasen und Wolken und Regenbögen und allen mysteriösen Phänomenen liefern, und auch auf sein Interesse an Fusseln" (‚The subject of illusion […] will be found to provide the clue to a child’s interest in bubbles and clouds and rainbows and all mysterious phenomena, and also to his interest in fluff’, Winnicott, 1968).

Beide sich überschneidenden und ergänzenden theoretischen Beiträge bieten fruchtbare Formulierungen für die Psychoanalyse, obwohl einige Post-Kleinianer Übergangsphänomene als Zeichen eines psychischen Rückzugs und damit als psychopathologisch ansehen (Steiner 1992). Diese Meinungsverschiedenheit könnte ein anregender Punkt für den Dialog zwischen Analytikern verschiedener theoretischer Ausrichtungen sein. Wie hängt zum Beispiel die unbewusste Phantasie mit Illusionen zusammen? Welche Rolle spielt das Thema der Illusionen in Bions Werk?

Wenn wir die Verwendung des Begriffs "Illusion" in der psychoanalytischen Literatur untersuchen, wird deutlich, dass der Begriff seit Freud in sehr unterschiedlicher Weise verwendet wird. Die meisten Bedeutungen legen nahe, dass Illusionen zwar in der Entwicklung "natürlich" sind, aber dass sie zugleich etwas darstellen, von dem man sich wegentwickeln oder aus dem man herauswachsen sollte. Die postfreudianische und kleinianische zeitgenössische Literatur impliziert diese Bedeutung, und es gibt feine Grenzen zwischen Halluzination, Wahn, Desillusion und Illusion. Wie bezieht sich jede Analytikerin/jeder Analytiker, abhängig von ihrem/seinem klinischen Paradigma, auf die Illusion in der Psychoanalyse? Steht sie im Zentrum der Matrix aus Übertragung und Gegenübertragung? Wie verhält sich das Thema der Illusionen zur Krise und zu den spannungsgeladenen Konflikten in Bezug auf die Online-Analyse und die psychoanalytische Praxis im Kontext des Krieges? Wie fordern diese Fragen unsere Überzeugungen heraus? Wie können wir inmitten einer gewalttätigen und unabwendbaren Katastrophe ein Gefühl der Hoffnung bewahren?

Wir freuen uns darauf, Wege zu finden, einige dieser Fragen zu erforschen und Sie 2023 zur 36.th Jahreskonferenz der EPF begrüßen zu dürfen.

Referenzen auf Anfrage erhältlich

Heribert Blass, Präsident

Jan Abram, Vizepräsidentin , Jahreskonferenzen

Ewa Glod, Generalsekretärin

(Übersetzung: Heribert Blass)