Freedom - Freiheit – Liberté

The 38th EPF Annual Conference

Dresden, Germany

Argument der EPF-Jahrestagung 2025 in Dresden

 

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

wir freuen uns sehr, Sie zur 38. Jahrestagung der EPF in Dresden begrüßen zu dürfen. Wir sind von Florenz 2024 nach „Elbflorenz“ 2025 weitergezogen. In Dresden werden Sie feststellen, dass sowohl herausragende Kunstsammlungen wie auch das Stadtbild prägende Bauwerke und die geographische Lage an der Elbe zu dieser Auszeichnung beigetragen haben.

Als Thema haben wir dieses Jahr „Freiheit – Freedom – Liberté“ gewählt. Damit setzen wir die Tradition der letzten Jahrestagungen fort, in denen wir uns ebenfalls von einem Begriff zu verschiedenen Beiträgen haben inspirieren lassen: Realitäten (2021) – Ideale (2022) – Illusionen (2023) – Identifizierung (2024). Im Thema der Freiheit schwingen die zahlreichen Krisen in Europa mit. Unsere persönliche Freiheit wie auch die Freiheit unserer globalen europäischen Gesellschaft ist durch verschiedene soziopolitische Szenarien bedroht. Wir werden diese Szenarien in den einzelnen Veranstaltungen unserer Tagung reflektieren, umso mehr, als sie verstärkt in unsere Behandlungsräume drängen und uns auch zunehmend in unserer psychoanalytischen Föderation, der EPF, beschäftigen.

Doch was hat die Psychoanalyse zum Thema ‚Freiheit‘ zu sagen? Wie hängen die Begriffe Freiheit und Unbewusstes zusammen? Wie ragt der Begriff Freiheit in die klinischen Behandlungen hinein und wie lässt er sich metapsychologisch fassen?

Bei Freud gibt es zumindest zwei Themenkomplexe, in denen der Begriff Freiheit großes Gewicht hat. Der erste Komplex betrifft die Beziehung zwischen Freiheit und Determinismus. Wie frei sind wir in unseren Willensentscheidungen und wie sehr werden wir dabei von unserem Unbewussten determiniert? So schreibt Freud etwa im Kontext der Traumbildung:

„Es gibt viel weniger Freiheit und Willkür im Seelenleben, als wir geneigt sind anzunehmen; vielleicht überhaupt keine“ (GW VII 33); und bei der Analyse der Fehlleistungen spricht er von der „Illusion der psychischen Freiheit“ (GW XI 42), die es verbiete, Versprecher und andere Fehlleistungen als unbewusst motiviert zu betrachten. Diese Formulierungen Freuds können und dürfen uns nicht überraschen, denn ohne die Annahme einer psychischen Determinierung durch das Unbewusste würden sich Traum und Fehlleistungen eben als willkürliche, ja zufällige, auf jeden Fall unmotivierte geistige Produkte erweisen. Die Psychoanalyse wäre der Grundlage beraubt, welche ihr überhaupt erst eine Existenzberechtigung verleiht.

Genauso folgenreich wäre es zu glauben, vom Unbewussten ginge eine strenge, eine kausale Determinierung aus. Wie könnte dann die Analyse zu etwas anderem führen als zu jener parodistischen Erklärung der Vergangenheit durch die Gegenwart, wie sie Molière genial einfach im folgenden Satz aus seiner Komödie Der Arzt wider Willen festgehalten hat: „Und sehen Sie, deshalb ist Ihre Tochter stumm“. Insbesondere Freuds Begriff der Nachträglichkeit – dass sich erst in der Zukunft erweisen wird, was es mit der Vergangenheit auf sich hat – lässt sich nicht ohne ein Mindestmaß an psychischer Freiheit denken und darf keineswegs als Erklärungsmuster für die Vorherbestimmtheit unseres Seelenlebens durch frühkindliche Einflüsse missverstanden werden. Besonders Laplanche hat sich darum verdient gemacht, die Nachträglichkeit von jedem allzu simplen Determinismus freizuhalten, wie er in der englischen Übersetzung der Nachträglichkeit als „deferred action“ implizit enthalten ist. Aber auch Freuds Beschreibung der „Wirkung der Analyse“, dass sie „dem Ich des Kranken die Freiheit schaffen soll, sich so oder anders zu entscheiden“ (GW XIII 280 Fußnote 1, Hervorhebung i.O.) wäre ohne die Annahme einer bestimmten psychologischen Freiheit nicht haltbar.

Und ist es nicht ein Merkmal des gesamten psychoanalytischen Vokabulars, dass es ohne ein Element von Freiheit nicht funktionieren kann? Ist das nicht der Grund dafür, dass ‚Überdeterminierung‘ zu diesem Vokabular gehört, der einfache ‚Determinismus‘ hingegen nicht? Nicht zufällig nennen wir unsere Grundregel ‚freie Assoziation‘. Die Spannung zwischen Freiheit und Determinismus, die wir gerade beschrieben haben, ist dem Begriff selbst eingeschrieben.

Beim zweiten Themenkomplex geht es um die Bedeutung der Freiheit innerhalb von Freuds Kulturtheorie, dafür wählen wir beispielhaft „Das Unbehagen in der Kultur“. Im Kontext seiner Überlegungen, warum unser Kulturleben dem menschlichen Glücksstreben allzu viele Hindernisse aufzubürden scheint, kommt er auch auf die Freiheit zu sprechen, genauer gesagt auf die „individuelle Freiheit“ und behauptet: „Die individuelle Freiheit ist kein Kulturgut“ (GW XIV 455), um in der Folge den ewigen Konflikt zwischen individuellem Freiheitsanspruch und kulturellen Ge- und Verboten hervorzukehren. Nein, sagt Freud in der gleichen Passage, es scheint unmöglich, die Natur des Menschen „in die eines Termiten umzuwandeln, er wird wohl immer seinen Anspruch auf individuelle Freiheit gegen den Willen der Masse verteidigen“ (ebd. 456). Unter individueller Freiheit versteht Freud hier vor allem und zunächst „Triebfreiheit“ (ebd. 474), die durch die Auflagen der Kultur nachhaltig eingeschränkt, ja geschädigt würde. Genau diese individuelle Freiheit unterscheidet das „Tierwesen“ (ebd. 465) Mensch von den Termiten, die innerhalb ihres Insektenstaates selbstlos in ihrer sozialen Funktion aufgehen, während das Triebwesen Mensch eine in der infantilen Sexualität wurzelnde a-soziale Seite hat, die nur schwer zu bändigen ist. Wie können wir Freuds weitreichende Überlegungen zum Verhältnis von Freiheit und Kultur gewinnbringend aufgreifen in einer Zeit, in der das „Unbehagen in der Kultur“ mit Händen zu greifen ist und von Tag zu Tag größer zu werden droht?

Aus der Vielzahl von Autoren, die sich, von Freud inspiriert, dem Begriff der Freiheit zugewandt haben, sei auf Winnicott hingewiesen, der zwei kurze, weniger beachtete, Texte mit dem Titel „Freedom“ verfasst hat. Winnicott weist darin sowohl auf das Problem des psychischen Determinismus hin, „es ist ganz offensichtlich sehr schwierig, vielleicht für alle Menschen, den Determinismus als eine grundlegende Tatsche zu akzeptieren“ (Winnicott, „Freedom“, 1969-1971, 80; Übersetzung U.H.), als auch auf „Umweltbedingungen“, die auf das subjektive Freiheitsgefühl einwirken. Im Blick hat er dabei vornehmlich schwer gestörte Patienten, deren innere Freiheit durch psychische Erkrankung eingeschränkt ist. Sein tiefer Humanismus zeigt sich im Schlusssatz eines der beiden Aufsätze, in dem er über die Hintergründe von Glück, Gesundheit und Freiheit nachdenkt: „Diejenigen, denen es gut genug geht und die frei genug sind, müssen in der Lage sein, den Triumph auszuhalten, der zu diesem Zustand gehört. Dennoch, nichts als Glück gab ihnen die Möglichkeit, gesund zu sein” (Winnicott, “The Threat to Freedom”, 1969-1971, 87; Übersetzung U.H.).

Wir möchten Sie gerne dazu einladen, über diese Anregungen hinaus sich selbst die Freiheit zu nehmen, über Freiheit in und jenseits der Psychoanalyse nachzudenken und dafür unserer Jahrestagung 2025 in Dresden zu besuchen. Vieles ist ungesagt geblieben in diesem kurzen Argument – insbesondere die Verbindung von Freiheit zu den Nachbarwissenschaften der Psychoanalyse wie der Philosophie und der Kunst, der Literatur und der Politik –, sodass Ihre Mithilfe bei der Beschäftigung mit der Freiheit unabdingbar ist. Dresden scheint uns dafür genau die richtige Stadt zu sein: Sie steht gleichermaßen für Verlust wie auch für wiedergewonnene Freiheit und lockt mit vielfältigen attraktiven Angeboten, die sich zwanglos in Verbindung zu unserem Tagungsthema bringen lassen.

Wir freuen uns sehr, Sie im Maritim Hotel & Internationales Congress Center Dresden zur 38. Jahrestagung der EPF 2025 willkommen zu heißen.

Jan Abram Präsidentin

Udo Hock Vizepräsident, Vorsitz des Programmkomitees

Nergis Gûleç Generalsekretärin

 

CLARIFICATION ON MAIN PROGRAMME CONTRIBUTIONS:
All the panels for the main programme are invited by the Programme Committee.

 

 

 

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